Eine
gründlichen Untersuchung des Stoffs durch den belgischen Forscher G. Raes,
dem Direktor des Genter Instituts für Textil-Technologie, ergab, dass das
Leinen fischgrätenförmig in so genannter Köper-Bindung
gemustert und gearbeitet ist. Dies ist nur mit einem besonderen Webstuhl möglich.
Aus Europa sind bis ins 14. Jahrhundert hinein keine Gewebe vergleichbarer
Art bekannt. Dafür gibt es aus dem syrischen Raum einige Gewebe vergleichbarer
Machart aus der Zeit Christi, die bis heute erhalten geblieben sind. Im Gegensatz
dazu ist das Schweißtuch von Oviedo in einfachem Taft gewebt. Die Fäden
des Grabtuchs und des Schweißtuchs haben aber die gleiche Machart und Stärke
der Fasern. Laut Dr. Gilbert Lavoie, einem Spezialisten für innere
und Arbeitsmedizin aus den USA, weist das Bild auf dem Tuch nicht nur auf einen
gekreuzigten und dann begrabenen Mann hin - wie man seit langem glaubt - sondern
auch darauf, dass das Bild auf einen senkrecht aufgehängten Mann schließen
läßt. Ein wichtiges Beweisstück ist ein Blutfleck, der
sich am linken Ellenbogen befindet. Laut Lavoie ergaben die Untersuchungen dieses
Blutflecks, daß der Mann im Tuch am Kreuz starb und horizontal beerdigt
wurde. Und die Blutflecken seien dadurch verursacht worden, daß feuchte
Blutklumpen mit dem Tuch in Berührung kamen. Ein anderer Grund für
Lavoies Ansicht, das Tuch stamme aus früheren Zeiten als dem Mittelalter,
sind die Untersuchungen von Pollensporen und schwachen Blütenspuren auf dem
Tuch. Diese Tests ergaben, daß die Sporen von Blumen stammen, die ausschließlich
in der Gegend von Jerusalem blühen. Dies bestätigten auch andere
wissenschaftliche Untersuchungen. "Wir konnten Abdrücke und Getreidepollenarten
auf dem Tuch identifizieren, die nur in der Umgebung von Jerusalem vorkommen",
sagte der Botaniker Professor Avinoam Danin von der Hebräischen Universität
von Jerusalem. "Die Aussage, daß das Tuch aus Europa stammt, ist nicht
haltbar." Laut Danin konnte durch die Analysen der Blumenabdrücke
und eine separate Analyse der Getreidepollen durch den Botaniker Uri Baruch eine
Kombination von Pflanzenarten identifiziert werden, die nur im März und April
in der Gegend von Jerusalem vorkommen. Die Forscher fanden auch heraus,
daß eine andere auf dem Tuch identifizierte Pflanze entweder in der judäischen
Wüste oder im Tal vom Toten Meer zwischen 15 und 16 Uhr an dem Tag, an dem
sie auf das Tuch gelegt wurde, gepflückt worden sein muß.
Auch auf dem Schweißtuch von Oviedo wurden zwei Getreidepollen einer bestimmten
Pflanzenspezies entdeckt. Danin meint, dass aufgrund der zusammenpassenden Getreidepollen
die beiden Tücher aus der gleichen Zeit stammen müßten.
Auf beiden Stücken finden sich auch gleich angeordnete Spuren von Blut des
Typs AB. "Es ist ausgeschlossen, daß gleiche Muster von Blutspuren
- wahrscheinlich derselben Blutgruppe - und die gleiche Sorte von Getreidepollen
nicht synchron sind - nicht denselben Körper betreffen", sagte Danin.
"Die Ähnlichkeit der Pollen und der Blutflecken auf den beiden
Tüchern erbringen den klaren Beweis, daß das Grabtuch aus der Zeit
vor dem 8. Jahrhundert stammt." Neue Anhaltspunkte stellten italienische
Forscher fest, die im Jahr 2001 Fotoaufnahmen der Rückseite des Grabtuchs
machten. Mit speziellen Linsen wurde ein abgeflachter Scanner zwischen der Hinterseite
und einer Schutzhülle eingeführt, den Nonnen vor fast 500 Jahren nach
einem Brand angebracht hatten. Auf der Rückseite wurden zwar Blutflecken
gefunden, jedoch keinerlei Abdruck einer menschlichen Gestalt, womit die von einigen
Kritikern vertretene Theorie widerlegt wurde, das Abbild könne von einem
Hochrelief stammen und durch Erwärmung entstanden sein. In diesem
Fall müssten Spuren des Abdrucks auch auf der Rückseite zu sehen sein,
argumentieren die italienischen Forscher, nach deren Auffassung das im Turiner
Dom aufbewahrte Tuch keine Fälschung ist. Der vom Papst berufene
offizielle Hüter des Grabtuchs, der Erzbischof von Turin, hält die jüngsten
Ergebnisse für ausreichend beweiskräftig. Zum ersten Mal bekannte er
ganz offen: "Ich bin überzeugt, daß das Sindone das Tuch ist,
in das Jesus nach seinem Tod am Kreuz eingewickelt wurde."
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