Seit
dem 18. April strömen Scharen von Menschen nach Turin, um einen Blick
auf das Turiner Grabtuch zu werfen, das viele Christen für das Grabtuch
Jesu halten. Das selten öffentlich ausgestellte Tuch hat die lang
anhaltende Diskussion über seine Authentizität neu entfacht.
Dr. Gilbert Lavoie, ein Spezialist für innere und Arbeitsmedizin
aus der Gegend von Boston, hat ein Buch geschrieben, in dem er überzeugende
wissenschaftliche Beweise vorlegt, daß es sich tatsächlich
um das Tuch handeln muß, in dem Jesus begraben wurde. Er sagt, daß
das Bild auf dem Tuch nicht nur auf einen gekreuzigten und dann begrabenen
Mann hinweist, wie man seit langem glaubt, sondern, daß das Bild
auf einen senkrecht aufgehängten Mann schließen läßt.
Lavoie, der bereitwillig zugibt, kein Theologe zu sein, erklärt,
daß er dem Tuch zunächst mit einiger Skepsis gegenüberstand
und anzunehmen geneigt war, es handle sich nicht um das Bild Jesu. Doch
nach fast zwanzig Jahren Studium, Forschung und wissenschaftlichen Untersuchungen
sei er eines besseren belehrt worden. "Ich weiß, was ich glaube,
doch dieses Buch habe ich geschrieben, damit die Leute für sich selbst
entscheiden können", meinte er.
Das Buch Unlocking the Secret of the Shroud (Enthüllung der
Geheimnisse des Grabtuchs) behandelt die widersprüchlichen Tests
der Radiokarbondatierung von 1988, nach denen das Tuch angeblich aus dem
Mittelalter stammt. Lavoie erhebt Zweifel an diesen Tests; er schreibt,
die Wissenschaftler hätten nicht sechs Proben von verschiedenen Teilen
des Tuches genommen, wie das Testprotokoll gefordert hatte, sondern nur
eine Probe, die sie dann in sechs Teile teilten.
"Um irgendeinen relevanten archäologischen Test zu machen, muß
man mehr als eine Probe vom Tuch haben, um sicherzustellen, daß
die Analysenprobe repräsentativ ist", meinte Lavoie. Er schreibt,
daß die wissenschaftlichen Untersuchungen der Probe mit der Karbonmethode
darauf hinweisen, daß es sich von anderen Teilen des Tuches chemisch
unterscheidet. Lavoie zweifelt an der Genauigkeit der Tests von 1988 und
hält neue Tests für angebracht.
Er erwähnt auch die Arbeiten anderer Forscher und betont, daß
weder Farbstoffe noch Malfarben das Bild auf dem Tuch erzeugen konnten.
Es sei immer noch ein Rätsel, wie das Bild auf das Tuch kam, sagt
Lavoie. Ein wichtiges Beweisstück ist ein Blutfleck, der sich am
linken Ellenbogen befindet. Laut Lavoie ergaben die Untersuchungen dieses
Blutflecks, daß der Mann im Tuch am Kreuz starb und horizontal beerdigt
wurde. Und die Blutflecken seien dadurch verursacht worden, daß
feuchte Blutklumpen mit dem Tuch in Berührung kamen.
Lavoie beschäftigte sich auch mit den jüdischen Begräbnissitten
zur Zeit von Jesu Tod und fand heraus, daß die Körper gewöhnlich
vor dem Begraben gewaschen wurden, mit einer Ausnahme: Wenn die Person
durch Gewalteinwirkung starb und zur Todeszeit blutete, wurde sie nicht
gewaschen, sondern nur in ein Tuch gewickelt.
Ein anderer Grund für Lavoies Ansicht, das Tuch stamme aus früheren
Zeiten als dem Mittelalter, sind die Untersuchungen von Pollensporen und
schwachen Blütenspuren auf dem Tuch. Diese Tests ergaben, daß
die Sporen von Blumen stammen, die ausschließlich in der Gegend
von Jerusalem blühen.
Lavoies Interesse an dem Tuch wurde durch ein Buch geweckt, das er vor
37 Jahren in einem Antiquariat gefunden hatte. Jetzt, nach vielen Jahren
Arbeit tritt er mit dem Thema, das viele Christen beschäftigt, an
die Öffentlichkeit.
"Diese Entdeckung ist ein Abenteuer, das ich nie erwartet hätte,
und ich möchte einfach andere daran teilhaben lassen", sagte
Lavoie.
(Quelle: Boston Globe, USA)
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