Eine
Schweizer Wissenschaftlerin, die als Autorität auf dem Gebiet der
Textilgeschichte gilt, hat an der Restaurierung des Turiner Grabtuchs
mitgearbeitet und dabei starke Ähnlichkeiten zwischen diesem und
2000 Jahre alten Stoffragmenten aus dem Nahen Osten festgestellt.
Auf einer Tagung der katholischen Kirche präsentierte Mechthild Flury
Lemberg einen Untersuchungs-bericht, in dem sie die Stiche an den Säumen
und einer langen Seitennaht des Grabtuchs mit denen auf einem Stoff vergleicht,
der in den Ruinen von Masada, einer Bergfestung mit Blick auf das Tote
Meer und Jordanien, gefundenen wurde.
Der auf Masada gefundene Stoff wurde auf den Zeitraum zwischen 40 vor
und 73 n. Chr. datiert. Über das Grabtuch sagte Mechthild Flury:
"Der Saum ist sehr schön genäht und zwar so, daß
man ihn nur auf der Innenseite sieht. Meiner Meinung nach ist das Grabtuch
keine Fälschung aus dem Mittelalter. Die Parallelen, die ich gefunden
habe, deuten darauf hin, daß es aus dem Gebiet des heutigen Israel
zur Zeit Jesu Christi stammen könnte."
Die 1988 durchgeführten Kohlenstoffdatierungen haben angeblich ergeben,
daß das Grabtuch, das viele Christen als das Leichentuch verehren,
in das man den Körper Christi zur Beerdigung eingewickelt habe, zwischen
1260 und 1390 hergestellt wurde.
Doch als letztes Jahr israelische Wissenschaftler behaupteten, die bekanntesten
der auf dem Grabtuch gefunden Pollen stammten von einer Pflanze, mit der
man auch die Dornenkrone für das Haupt Christi geflochten haben könnte,
wurden die Forderungen nach einer neuen C14-Datierung immer lauter. Die
in der Bibel als Steppenläufer bezeichnete Pflanze wächst nur
im Nahen Osten.
"Schon seit dem ersten Kohlenstofftest sind die Wissenschaftler über
die Zuverlässigkeit dieser Methode geteilter Meinung", sagt
Ian Wilson, der mehrere Bücher über das Grabtuch geschrieben
hat und einer der Experten im Auftrag der Kirche ist. "Doch Masada
und die Pollenuntersuchungen haben dazu beigetragen, daß man sich
auf einen erneuten Test einigte."
Nun muß der Vatikan entscheiden, ob das geschehen soll. Obwohl er
zu Mechthild Flurys Analyse noch nicht offiziell Stellung genommen hat,
setzten die kirchlichen Organisatoren ihre Arbeit als ersten Beitrag auf
das Programm der Konferenz von Turin, wo auch das Grabtuch aufbewahrt
wird.
Als Beitrag zu den Feierlichkeiten anläßlich des zweitausendsten
Geburtstags Christi wird die Kirche das Grabtuch von August bis Oktober
in einem kugelsicheren Glaskasten öffentlich ausstellen. Man erwartet
mehr als drei Millionen Besucher.
(Quelle: The Sunday Times, GB)
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