Weisheit von einem Landstreicher



aus: Share International, März 1998




Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von © Share International

In der Hoffnung die "Prediger des Jahres Auszeichnung" zu gewinnen, hielt eine Gruppe von fünf Predigern am 12. November 1997 in der Durham Kathedrale in England ihre Predigten. Das Thema der Vorträge war "Heiligkeit" und der einstimmige Sieger war der Geistliche Paul Walker, ein Vikar aus Moorside in Sunderland. In seiner Predigt redete er über seine ungewöhnliche Begegnung mit einem Landstreicher.

Eine der Juroren, die Moderatorin Joan Bakewell, meinte: "Paul widmete sich dem Thema mit großer Klarheit. Seine Predigt war orginell, ansprechend und neuartig. Sie hinterließ ein allgemeines Gefühl der Wärme in der Versammlung, nachdem er diese beendet hatte und ein Gefühl, dass die Menschen ein wenig mehr für ihr christliches Leben energetisiert wurden. Er sprach sehr direkt vom Herzen und ich denke, dass wir alle davon sehr berührt waren. Wir wurden dadurch zum Lächeln und zum Nachdenken gebracht."

Share International nahm Kontakt mit Paul Walker auf, um seine Geschichte zu hören.


Share International: Können Sie uns von ihrem Erlebnis an der Victoria Station erzählen?

Paul Walker: Ich denke, dass die meisten Menschen Vorkommnisse in ihrem Leben haben, die sie zum Nachdenken bringen und sie verändern und ich nehme an, dass dies meines war. Die erste Predigt, die ich je hielt, beinhaltete diese Geschichte und jede bedeutsame Predigt, die ich seither hielt, beinhaltete sie.

Zu der Zeit war ich Student, der sich darauf vorbereitete, Priester an der Südküste Englands zu werden und ich wartete ich an der Victoria Station in London auf den Zug. Ich wollte mein Geld nicht in einem der teuren örtlichen Cafés ausgeben und da ich noch längere Zeit warten musste, ging ich an einen Kiosk und kaufte mir eine Dose Bier.

Ich ging zurück, öffnete das Bier, zündete mir eine Zigarette an und stand herum als dieser Mann den Bahnhof betrat. Er war ein typischer Landstreicher: er verursachte eine Menge Lärm, während er umher schlurfte, in Mülleimer schaute und Leute ansprach.

Es war eine dieser Situationen, wo jedermann auf der Victoria Station wusste, dass er da war, aber so tat als wäre er es nicht! Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass er zu mir kommen und mit mir sprechen würde - und natürlich tat er das.

SI: Erinnern Sie sich daran wie er aussah?

PW: Nicht wirklich. Obwohl ich mich an seine Augen erinnere. Seine Augen kamen mir recht stechend vor - ich erinnere mich sehr deutlich, wie ich seine Augen gesehen habe. Er war Schotte. Er fragte: "Haben Sie eine Zigarette?" Ich dachte, wenn ich ihm eine Zigarette geben würde, wäre ich ihn anschließend los. Dann fragte er: "Kann ich einen Schluck von ihrem Bier trinken?"

Ich war etwas angewidert, weil ich gerade erst draußen beim Kiosk gewesen war, um es zu kaufen. Jedenfalls gab ich es ihm zum Trinken und dachte, dass er es ausleeren würde, aber sehr zu meiner Verlegenheit, nahm er nur einen Schluck und gab es mir wieder zurück und ich merkte, dass ich aus derselben Dose trinken müsste, aus der er getrunken hatte.

Dann fing er ein Gespräch mit mir an. Er fragte: "Was tun Sie?" Ich erzählte ihm, dass ich Student sei. Er fragte: "Student von was?" Ich erzählte ihm, dass ich mich darauf vorbereitete, Vikar zu sein. Er fragte: "Beten Sie?" Das war nicht gerade die Art Frage, die ich normalerweise von solch einem Burschen zu hören erwartete. Ich antwortete: "Ja."

Dann sagte er: "Nein. Ich meine wirklich beten - ich meine die ganze Zeit beten?" Dann erinnere ich mich wie ich dachte, dass ich das nicht täte, aber er nur ein Landstreicher sei, so dass ich ihn anlügen könne, und ich sagte: "Ja." Die Unterhaltung ging weiter und wir redeten über das Gebet und dabei mit Gott in Berührung zu sein - und mit Gott in Berührung zu sein, indem man Zeit damit verbringt, zuzuhören.

Er erzählte mir, dass er beten würde und er holte aus seiner Tasche einen zerbrochenen Rosenkranz, mit dem er, wie ich jetzt bemerkte, die ganze Zeit während wir dort standen, gespielt hatte. Die ganze Situation fing an unheimlich zu werden - ich fühlte mich immer unbehaglicher während der Unterhaltung und bemerkte, dass er mir Dinge über das Beten erzählte, die ich in meiner Vorbereitung nicht gelernt hatte. Die Unterhaltung schien ewig anzudauern.

SI: Was glauben Sie, wie lange es dauerte?

PW: Ich bin mir nicht sicher. In der Rückschau betrachtet wahrscheinlich nicht so lange. Am Ende sagte er dann: "Nun höre zu. Erinnere Dich an das, was ich gesagt habe. Gott kann nur durch Dich arbeiten, wenn Du ihn lässt." Dann bedankte er sich für die Zigarette und das Bier. Schließlich schaute er mich an und sagte: "Paul (ich könnte schwören, dass ich ihm meinen Namen nicht gesagt hatte) - man weiß nie, mit wem man gerade gesprochen hat." Dann ging er davon.

Bei der "Prediger des Jahres" Veranstaltung hatte Walker seine Predigt an diesem Punkt beendet und es den Zuhörern überlassen, ihre eigenen Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, wer der Landstreicher gewesen sein könnte.

Im Gespräch mit Share International unterließ er wiederum Spekulationen über die Identität des Landstreichers, aber erklärte, dass unabhängig davon, ob der Landstreicher "übernatürlich" war oder nicht, der Vorfall als solches einen nachhaltigen Effekt auf sein Leben und seinen Glauben hatte.

(Benjamin Cremes Meister bestätigt, dass der philosophische Landstreicher der Meister Jesus war.)

© Share International


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